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Öde Jobs machen dement – und das lässt sich sogar im Blut messen

Über diese Studienergebnisse werden sich alle Arbeitgeber freuen, denn sie rechtfertigen nun endlich aus wissenschaftlicher Sicht, Mitarbeiter im Job geistig zu fordern. In einer großen Multi-Kohortenstudie konnte zweifelsfrei gezeigt werden, dass eine fehlende oder geringe kognitive Stimulation am Arbeitsplatz mit dem Risiko assoziiert ist, in späteren Jahren eine Demenz zu entwickeln. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Daten von über 100.000 Menschen aus sieben populationsbasierten prospektiven Kohortenstudien ausgewertet. Die Teilnehmer wurden entweder der Gruppe mit geringer kognitiver Stimulation im Job (z. B. Schalterbeamte) oder mit einer hohen geistigen Anforderung mit viel Abwechslung bei der Arbeit (z. B. Bürgermeister) zugeordnet. Als Grundlage dieser Einstufung diente das Anforderungs-Kontroll-Modell nach Karasek, das in einer Matrix zwischen hoher und geringer Kontrolle über die Arbeitsaufgaben und hoher bzw. geringer psychischer Anforderung unterscheidet.

33 % geringeres Demenzrisiko für Bürgermeister

Innerhalb der insgesamt 1,8 Millionen Personenjahre kam es zu 1.143 Fällen von diagnostizierter Demenz. Eine geistig anspruchsvolle Tätigkeit senkte dabei das Risiko, an Demenz zu erkranken, signifikant um 33 % (siehe Abbildung 1). Diese Assoziation blieb auch nach Herausrechnung möglicher Störvariablen wie Rauchen, Alkoholabusus oder Adipositas bestehen. Auch kardiometabolische Faktoren wie Diabetes mellitus, KHK (koronare Herzerkrankung) oder Apoplexie (Schlaganfall) spielten dabei keine Rolle.

Signifikante Demenz-Effekte auch am Blut ablesbar

Die Forscher bestimmten bei den Teilnehmern zusätzlich insgesamt über 4.900 Proteine, von denen man annimmt, dass sie in Verbindung mit einer Demenz-Entwicklung stehen könnten. Und tatsächlich fanden sie auch hier Zusammenhänge zwischen einer hohen kognitiven Arbeitsplatz-Stimulation und niedrigeren Blutspiegeln von z. B. SLIT2 (Slit-Homolog-2), CHST (Carbohydrat-Sulfotransferase) und AMD (Peptidylglycin-alpha-amidierende Monooxygenase). Diese Proteine inhibieren die Axono- und Synaptogenese und verhindern so die Nervenneubildung bzw. -regeneration im ZNS. Die Veränderung der Blutspiegel dieser Proteine um eine Standardabweichung (1 SD) führte zu einer Erhöhung des Demenzrisikos um 4 bis 16 %.

Sowohl für Arbeitgeber als auch insbesondere für Arbeitnehmer wäre es nach diesen Studienergebnissen also wünschenswert, das Jobumfeld geistig möglichst anspruchsvoll und abwechslungsreich zu gestalten. In Zukunft könnte es also bei der Vergabe von komplexen Arbeitsaufträgen an Mitarbeiter vom Chef heißen: „Freuen Sie sich über dieses neue Projekt, es dient Ihrer Gesundheitsvorsorge!“ Klar sein sollte aber auch, dass es noch zahlreiche weitere Einflussfaktoren auf das individuelle Demenzrisiko gibt, die jenseits des beruflichen Umfeldes liegen. Da es sich bei den Ergebnissen um statistische Assoziationen handelt, ist allerdings die Kausalität nicht gezeigt: Führen öde Jobs zur Demenz oder über Menschen, die aus anderen Gründen ein höheres Demenzrisiko haben, häufiger monotone berufliche Tätigkeiten aus? (cb)

Quelle: Kivimäki M et al., BMJ 2021; 374: n1804

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