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Langsamer gehen – früher sterben? Krankheiten am Gangbild erkennen

Ein verlangsamter oder unsicherer Gang wird bei älteren Menschen oft als normale Alterserscheinung abgetan. Dabei ist das Gangbild bestimmt durch ein sensibles Zusammenspiel aus Motorik, Sensorik, Kognition und Gleichgewicht. Störungen in einem dieser Systeme können frühzeitig zu Veränderungen des Gangbildes führen – oft als erstes Anzeichen einer zugrunde liegenden Erkrankung.

Parkinson, Ataxie oder Polyneuropathie

Studien zeigen, dass bei Trägern von Parkinson-Risikomutationen oder Personen mit REM-Schlafverhaltensstörung typische Gangauffälligkeiten bis zu sieben Jahre vor Diagnosestellung auftreten können. Dazu zählen ein asymmetrisches Armpendeln, reduzierte Fußhebung oder eine erhöhte Schrittvariabilität. Auch bei hereditären Bewegungsstörungen wie den spinozerebellären Ataxien oder den hereditären spastischen Paraplegien (HSP) lassen sich im Frühstadium subtile Veränderungen im Bewegungsablauf nachweisen. Darüber hinaus kann das Gangbild internistische oder orthopädische Erkrankungen reflektieren. Bei Polyneuropathien kommt es häufig zu einer breiteren Gangbasis, längeren Standphasen und erhöhter Sturzgefahr. Gelenkerkrankungen wie Arthrosen führen zu einem antalgischen Gangbild mit verkürzten Schritten und asymmetrischer Belastung.

Prognosekraft der Gehgeschwindigkeit

Langzeitdaten zeigen zudem: Eine reduzierte Gehgeschwindigkeit im Alter ist ein unabhängiger Prädiktor für die Mortalität. Eine Verlangsamung von nur 0,1 m/s ist mit einer Erhöhung des Sterberisikos um mehr als 20 % assoziiert – unabhängig von der Ursache der langsameren Gehgeschwindigkeit!
Das Gangbild sollte daher nicht als altersbedingte „Eigenheit“ abgetan werden, sondern als klinisch relevanter Biomarker verstanden werden – vergleichbar mit pathologischen Laborwerten. Moderne Technologien wie tragbare Sensoren oder smarte Wearables ermöglichen heute auch außerhalb der Klinik eine präzise Ganganalyse und eröffnen so neue Möglichkeiten zur Früherkennung neurologischer und anderer Erkrankungen.

Gangbild-Test in der Praxis

Folgende Übungen bzw. Tests sollte man den Patienten durchführen lassen:
• 10 Meter weites Geradeaus-Gehen z. B. in einem Gang
• Umdrehen am Ende des Ganges und zurückgehen
• Gehen mit geschlossenen Augen
• Einige Schritte rückwärts gehen
• Schnelles laufen, rennen (je nach Möglichkeit)

Dabei können bewertet werden:
• Ganggeschwindigkeit
• Schritthöhe
• Schrittlänge
• Regelmäßigkeit des Ganges/der Schritte
• Übergang zwischen den Gangphasen (Stand- und Schwungphase beider Beine separat)
• Bewegungen von Rumpf und Armen
• Geräusche, die der Gang hervorruft (z. B. Fußaufsetzen, Schlurfen)

Quelle: Nonnekes J et al. J Neurol 2025; 272: 257

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